10 Jahre Freunde alter Menschen e.V. in Köln„Wenn ich niemanden bei mir habe, fehlen mir die Gespräche.“
Karin (74) bekommt alle zwei Wochen Besuch von Andrea (38) und Julian (35). Die beiden
sind Freiwillige beim Verein Freunde alter Menschen e.V. in Köln, der das Ziel hat, die
Einsamkeit alter und alleinlebender Menschen zu lindern. Zu der herzlichen und humorvollen
alten Dame haben sie innerhalb weniger Monate eine freundschaftliche Beziehung
entwickelt.
Karin sitzt auf dem Sofa ihrer Wohnung, rechts von ihr Andrea, links von ihr Julian. Die drei
sind in einen Bildband über Konrad Adenauer vertieft. Zwischendurch lachen sie herzhaft,
dann klappt Karin das Buch zu. Sie nimmt Andreas Hand und drückt sie. „Es ist so
wunderbar, dass ich die beiden habe“, sagt die 74-Jährige. „Ich freue mich immer sehr, wenn
einer von beiden kommt. Die Chemie stimmt und ich mag die Gemeinschaft, erzähle gerne
von früher.“
Die Nippeserin ist eine von aktuell etwa 60 älteren Menschen in Köln, die am
Besuchsprogramm von Freunde alter Menschen e.V. teilnehmen. Vor allem in Großstädten
sind Alterseinsamkeit und soziale Isolation ernstzunehmende Probleme, da die Anzahl der
Betroffenen Jahr für Jahr zunimmt – und das nicht erst seit Corona. Die Idee: Mit
Unterstützung von Freiwilligen stiftet der Verein sogenannte Besuchspartnerschaften
zwischen Jung und Alt, die auf Wertschätzung und gegenseitigem Respekt beruhen. Durch
die regelmäßigen sozialen Kontakte soll den alten Menschen ihre Lebensfreude zurück
gegeben werden. Das Konzept hat seinen Ursprung in Frankreich. Nach dem zweiten
Weltkrieg etablierte es der Gründer Armand Marquiset in Paris zunächst mit dem Ziel,
verarmte Kriegswitwen zu unterstützen. In den folgenden Jahrzehnten wurde es von
zahlreichen Ländern übernommen. Heute engagieren sich 23.000 Freiwillige in 14 Ländern
für ein Leben ohne Einsamkeit im Alter; die internationale Föderation „les petits frères des
Pauvres“ hat Beraterstatus bei den Vereinten Nationen (UN).
In Deutschland ist Freunde alter Menschen e.V. seit 32 Jahren aktiv und neben Köln an vier
weiteren Standorten – Berlin, Hamburg, Frankfurt und München – vertreten. Der Kölner
Standort hat seinen Sitz seit 2013 im Quäker Nachbarschaftsheim in Ehrenfeld; seit seiner
Gründung in der Domstadt ist er Stück für Stück gewachsen. Antonia Braun und Reiner
Behrends, seit 2021 Geschäftsführung von Freunde alter Menschen e.V. in Deutschland,
freuen sich darüber sehr: „Dieser Erfolg ist vor allem auf die engagierten Freiwilligen
zurückzuführen, die zum Teil schon von Anfang an dabei sind. Ihnen ist es gemeinsam mit
der hauptamtlichen Koordination gelungen, wertvolle Freundschaften zu älteren Menschen
aufzubauen und deren Einsamkeit ein Stück weit zu lindern.“ Von den
Besuchspartnerschaften, die der Verein in Köln aktuell vermittelt hat, haben es viele durch
die Corona-Pandemie geschafft.
Alte und alleinlebende Menschen sowie Freiwillige können sich beim Koordinations-Team
melden, wenn sie Interesse an einer Besuchspartnerschaft haben. Karin hat Anfang des
Jahres 2023 von ihrer Physiotherapeutin und einer Freundin aus Berlin den Tipp bekommen,
sich an den Verein zu wenden. Sie lebt alleine in einer Wohnung im Sechzigviertel, hat eine
fürsorgliche Nachbarschaft und geht drei Tage pro Woche in die Tagespflege. Nach einem
Schlaganfall ist sie jedoch gesundheitlich eingeschränkt und sitzt die meiste Zeit alleine zu
Hause – obwohl ihr Interesse an Gesprächen, Kultur und Gesellschaftsspielen rege ist wie eh
und je. „In der Tagespflege ist es mit Unterhaltungen schwierig, da viele Leute dort an
Demenz erkrankt sind“, berichtet sie. „Ich brauche aber den Austausch mit Menschen.“
Die Freiwilligen bei Freunde alter Menschen e.V. durchlaufen verschiedene Stufen, bevor sie
an einen alten Menschen vermittelt werden. Die meisten bewerben sich über die
Registrierung auf der Homepage oder per Mail. Andrea hat Ende 2022 über eine
Suchmaschine nach einer ehrenamtlichen Tätigkeit geschaut. „Das Thema Einsamkeit im
Alter hat mich direkt angesprochen. Das sucht sich keiner aus. Man schaut sonst so wenig
über den Tellerrand, ist so sehr in seiner Berufs-Bubble, in der alle im gleichen Alter sind.
Alten Menschen brechen nahestehende Personen aber häufig irgendwann weg.“ Da sie ihre
leiblichen Großeltern sehr früh verloren hat, hat sie den Kontakt zur älteren Generation
vemisst. Sie nimmt an einem der regelmäßigen Infoabende teil, beantragt ein polizeiliches
Führungszeugnis und lernt die Koordinatorin Ria Ostwald kennen.
Diese stellt Karin und Andrea einander vor – und sie verstehen sich auf Anhieb. „Karin ist
sehr offen und aufgeschlossen“, erzählt Andrea. „Sie hat sich auf mich eingelassen und ich
mich auf sie. Wir haben uns sehr schnell geduzt und tauschen uns auch über private
Themen aus, zum Beispiel die Vergangenheit, Urlaube oder Schicksale.“ Wenn Andrea zu
Besuch kommt, wird sie häufig von Karin mit klassischer Musik begrüßt. „Karin ist dankbar
und wertschätzend, sie genießt den Kontakt zur Außenwelt sehr.“
Alle zwei Wochen, meist sonntags, fährt Andrea zu Karin, um mit ihr den Nachmittag zu
verbringen. Der Rhythmus ist vom Verein bewusst gewählt, um Freiwillige nicht zu
überfordern, die meist berufstätig sind und nur begrenzte zeitliche Kapazitäten haben. Um
einem alten Menschen möglichst häufige und regelmäßige Besuche zu ermöglichen, sucht
Freunde alter Menschen e.V. deshalb in der Regel nach mehreren Freiwilligen. Diese
wechseln sich dann im Idealfall ab; Krankheits- und Urlaubszeiten können besser überbrückt
werden.
Als sich Julian, der ebenfalls in Nippes wohnt, für ein soziales Engagement an den Verein
wendet, wird er binnen kurzer Zeit als zweite Besuchspartnerschaft an Karin vermittelt. „Mich
hat das Konzept einer Besuchspartnerschaft mit einem alten Menschen, der niemanden
mehr hat, sehr angesprochen“, erklärt er. Als er Karin kennenlernt, passt es auch bei ihnen
sofort. „Wir haben ziemlich bald emotionale und persönliche Gespräche geführt. Nach den
Treffen schreibt sie mir oft, wie schön es war.“
Sowohl Andrea als auch Julian haben Karin einen Wunsch erfüllt. Andrea ist vor ein paar
Wochen mit Karin zu deren 95-jähriger Mutter gefahren, die in einem Pflegeheim in Ratingen
wohnt. Julian hat angefangen Rummy Cup zu lernen – Karins Lieblingsspiel.
Kontakt:
Freunde alter Menschen e.V.
Julia Schay-Beneke, Ria Ostwald
Kreutzerstr. 5-9
50672 Köln
Tel.: 0221 / 95 15 40 41
E-Mail: koeln@famev.de