Aus einer ehemaligen Kerzen- und Wachsfabrik wurde vor 45 Jahren ein Künstlerquartier der besonderen Art

Von außen kaum zu erkennen, fährt man an der Industriestraße an diesem für Köln außergewöhnlichen Ort vorbei, wenn nicht die große Beschriftung „Wachsfabrik“ zu lesen wäre. Denn außer einem Kindergarten ist eigentlich nichts zu sehen. Die nach skandinavischen Konzepten ausgerichtete Kita steht direkt an der Straße und verdeckt die naturnahe Idylle, die 1979 vom Maler und Kunsterzieher Michael Te Reh, dem Sohn des Theologen und Gründers der Diakonie Michaelshoven, Pfarrer Erwin te Reh, entdeckt wurde. Gründungen waren in der te Reh-Familie normal. Der Vater schuf 1950 ein heute nicht mehr wegzudenkendes Lebenswerk, und sein Sohn machte es ihm in der Kunstszene nach. Michaelshoven ist heute ein modernes Sozialunternehmen, das Menschen mit all ihrer Individualität und oft Außergewöhnlichkeit zur Verfügung steht. Und die Wachsfabrik tut selbiges, nur im Kunstbereich.
Die damals zum größten Teil leerstehende Kerzenfabrik war für den alternativen Freigeist Michael te Reh der perfekte Ort und die perfekte Möglichkeit, Kunst zu produzieren. Mit seiner Idee suchte er acht freischaffende Künstler, die nach und nach aus den Produktionshallen die ersten Ateliers bauten und im Bauprozess gleich einzogen.
Der 83-jährige Josta Stapper ist einer der Gründer und lebt noch immer auf dem verwunschenen Grund. Als Maler, Grafiker und Cartoonzeichner kann er so einiges aus 45 Jahren berichten. Er sah Künstler kommen und gehen und verfolgte das Wachstum auf dem Gelände, wie aus acht 25 Kunstbeflissene wurden. Auch bekam er hautnah mit, als der Eigentümer 2019 alle Bewohner und Künstler kündigen wollte, um das Gelände gewinnbringender zu nutzen. Dank zielführender Verhandlungen mit dem Vermieter konnte dies jedoch abgewendet werden. Nach einem gerichtlichen Vergleich und großen Mieterhöhungen durften alle bleiben.
War es früher ein sehr verwunschener Ort mit offenen Türen, ist es heute eine große Community vieler Individualisten. Jeder arbeitet und lebt hier anders, und es klappt. So gehört Ringo, der kunstinteressierte Cafébetreiber, irgendwie auch schon immer dazu. In seinem kleinen Café treffen sich immer wieder Kunstinteressierte zum Austausch und zur Inspiration. Bei Tee und Kaffee und kaltem Hund, denn das ist Ringos Lieblingskuchen, ist immer eine angenehme Atmosphäre und wer einmal kommt, kommt immer wieder. Nach seiner Ansicht hat sich in den letzten 45 Jahren viel auf dem Gelände verändert. Aus Lagerräumen und Hallen wurden kultige Wohnlofts, teilweise mit riesigen Fensterfronten. Vieles ist hier noch sehr ursprünglich, und dass es hier und da mal zieht, daran haben sich die Bewohner gewöhnt. Auch dass ein Großteil immer noch mit Holz heizt und im Winter Innenläden die Wärme halten, ist hier normal. Viele leben hier und haben Arbeiten und Wohnen miteinander verbunden. Bei den offenen Ateliers hat man somit einen ganz intimen Einblick in die Wohnbereiche. Jetzt im Winter wird es allerdings etwas ruhiger auf dem Gelände, da der vielseitig genutzte Außenbereich witterungsbedingt reduziert ist. So können Musikveranstaltungen und Lesungen, die ebenfalls hier stattfinden, nur im kleineren Rahmen umgesetzt werden. Viele Informationen dazu findet man in den sozialen Netzwerken und auf der Internetseite der Wachsfabrik.
Am Jubiläumstag wurden aber alle Erinnerungen, Gegenwarts- und Zukunftsgedanken noch einmal thematisiert und bei einem schönen Fest in die Mitte des Tages gerückt. An großen Plakatwänden waren unzählige Zeitungsausschnitte zu sehen, die zum Gespräch anregten. Bis in den tiefen Abend tauschten sich die Bewohner, die eingeladenen Gäste sowie der Bezirksbürgermeister Manfred Giesen über das Gelände der Wachsfabrik aus.Ist es auch einer der wenigen Orte Kölns, die zu einem großen Wirtschaftsstandort geworden sind, bleibt eines erhalten: Kunst, Kultur und eine gewisse Art alternatives Lebens stehen hier im Mittelpunkt des Lebens und des Arbeitens. Möchten Sie einmal ein paar Einblicke bekommen? Die nächsten offenen Ateliers sind immer am ersten Sonntag des Monats von 14 bis 18 Uhr, und die Kunstschaffenden freuen sich auf Ihren Besuch.







