Lebensgeschichten ….

Szenen bis zur Ehe

Pitt und Jan – wenn zwei Männer heiraten wollen

Da kommen zwei lachende Männer in ihre Stammkneipe, und man muss schon zweimal hinschauen: Gleiche Kappe, gleiche Jacke, gleiche Hose, gleiche Schuhe – selbst die Armbanduhr ist exakt die Gleiche. So blickt man unweigerlich in die beiden Gesichter, um die beiden unterscheiden zu können. Einen winzigen Unterschied gibt es dann allerdings doch, in der Halskette trägt Jan den Hamburger Michel, Pitt den Kölner Dom. Ansonsten heißt es aber – immer die gleichen Klamotten am Körper und endlich glücklich verheiratet. Der Weg dahin war lang.

„Kauf dir doch, was ich auch kaufe“

Wie kommt man auf die Idee, sich immer gleich anzuziehen? Die beiden lachen. „Das war aus der praktischen Not geboren. „Wir gingen einkaufen, Jan war etwas klamm, da sagte ich, kauf dir doch das, was ich auch kaufe.“ Gesagt, getan – und das ist bis heute so geblieben. „Manchmal muss einer von uns wegen des Jobs oder einer Bewerbung im Anzug auflaufen, wenn wir uns dann in unserer Stammkneipe treffen, werden wir erstmal gemustert und nach Eheproblemen gefragt.“ Die gibt es aber augenscheinlich nicht, ganz im Gegenteil. Allerdings kann zumindest Pitt von Eheproblemen ein Lied singen.

„Ich war mal mit einer Frau verheiratet“

Pitt gesteht freimütig, dass er mal mit einer Frau verheiratet war, sich aber letztlich immer eher zu Männern hingezogen fühlte. „Ich musste meinem Vater eine Lady präsentieren, damit ich dann zuhause raus durfte“, erinnert sich Pitt. So präsentierte er daheim eine Freundin, die dann auch schnell geheiratet wurde. Irgendwie ging das aber nicht, „ich musste aus Köln weg, da waren zu viele hübsche Männer.“ Also zogen die beiden nach Solingen. Aber die Männer ließen Pitt nicht los. Er lernte einen älteren Mann kennen, der schnell zum besten Freund der Familie wurde. Im Laufe der Zeit kamen zwei Kinder dazu, der beste Freund war Pitts heimlicher Geliebter. Eskaliert ist das Ganze dann am 10. Hochzeitstag. Pitt und seine Frau waren zum Essen verabredet, sie hatten sich bisher zum Hochzeitstag nie etwas geschenkt. An diesem Tag schob seine Frau ihm den abgelegten Ehering mit neuer Gravur über den Tisch. „Das war dann nicht mehr auszuhalten, ich habe mich geoutet und alles gestanden.“ Danach erlebte Pitt das volle Programm mit Rosenkrieg, fliegenden Blumensträußen und den Kindern als Druckmittel. Auch die Konsequenzen waren hart: „Die Kinder und beide Familien wandten sich von mir ab, das musste ich erst einmal verkraften.“

Neue Ehe – neues Glück

Irgendwann kam Jan aus dem hohen Norden in Pitts Leben. Er wollte weg aus seinem Dorf, wenn man sich für Männer interessierte, war man dort nicht gut gelitten, die große Stadt war eher angesagt. Was lag da näher als Köln? Beide kamen im Jahr 2011 nach Zollstock, renovierten ihre Wohnung, zogen zusammen und gingen die damals noch übliche Lebenspartnerschaft ein. 2017 wurde das Ganze dann in eine richtige Ehe umgeschrieben, in Zollstock wurden sie mehr als herzlich aufgenommen. „Mehr als 60 Zollstockerinnen und Zollstocker waren im Standesamt und in unserer damaligen Stammkneipe zu Gast, als wir die kölsche Hochzeit feierten.“ Das tollste Erlebnis: Um 11 Uhr 11 machte die Wirtin die Tür auf und alle sangen das Lied vom Veedel. „Da rollten uns hemmungslos die Tränchen.“

In Zollstock zuhause

Pitt und Jan fühlen sich in Zollstock wohl, sind vielseitig engagiert, Jan sucht gerade einen Job als Bürohelfer. Zu ihren Familien haben sie nur einen sehr beschränkten Kontakt. „Mein jüngster Sohn stand neulich mal auf der Matte, das hat sich jetzt halbwegs normalisiert. Der Älteste, immerhin 35, schämt sich immer noch wegen mir.“ Auch die Familie von Jan hat Probleme mit dem Geschlecht ihres Schwiegersohns, „obwohl das im Dorf jeder weiß.“ Seine Mutter „macht halt gerne auf heile Welt.“ Die beiden fühlen sich in Zollstock allerdings so wohl, dass sie das ganz gut verkraften können. Wer mal in ihre Stammkneipe, den Zollstocker Hof, schaut und zwei sympathische Jungs im gleichen Outfit sieht, ist auf ein Kölsch herzlich willkommen.